17. September 2018
Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Filialvertriebs und mögliche Adaptierungsmaßnahmen stehen schon viele Jahre im Zentrum der Überlegungen beinahe aller heimischen Institute.
In der Diskussion werden allerdings häufig „Gefühle aus dem Bauch“ ins Treffen geführt; Fakten bzw. die Erwartungen der Kunden spielen zumeist eine untergeordnete Rolle.
Wenn man sich an denen orientiert, kann man schnell feststellen, dass die Zukunft weder vollkommen online, aber auch nicht derart offline, wie häufig von klassischen Filialbanken prognostiziert, sein wird. Etwa 30 % der österreichischen Bankkunden sind sogenannte Onliner. Diese wickeln nicht nur ihre Transaktionen digital ab, sondern wählen auch für Beratung und Produktkauf zumeist diesen Channel. Tendenz gleichbleibend bzw. leicht steigend. Rund 10 % sind totale Offliner, also das genaue Gegenteil, die Banking ausschließlich über die Filiale betreibt. Tendenz sinkend.
Die 60 % dazwischen sind verschiedene Ausformungen von Multichannel Kunden. Banken, deren Potenzial über diese 10 oder 30 % der „Bankable Population“ hinausgehen soll, müssen also sowohl digital als auch physisch präsent sein und ihre Produktverkäufe digitalisieren. Eine Erkenntnis, die auch in Direkt- und Digitalbanken langsam Einzug hält und in Zukunft zu ungewöhnlichen Kombinationen führen wird.
Offline- und Online-Welt werden sich zunehmend verzahnen, weil die Kunden es so wollen. Etwas mehr als die Hälfte der Österreicher kann es sich nicht vorstellen, eine Konto bei einer Bank ohne Filialen zu eröffnen. Sehr viele davon sind „Just-in-Case Kunden“, d.h. die haben gar nicht vor, die Filiale jemals zu benutzen, sie möchten aber die Option dazu haben. Das „Just-in-Case Paradoxon“.
Das heißt im Umkehrschluss, dass der Ansatz vieler klassischer Filialbanken, „dem Kunden nahe zu sein“ oder „Filialen als Zentrum des gesellschaftlichen Lebens“ zu sehen, zu kurz greift bzw. nicht der Realität entspricht. Warum? Weil der Kunde das in der Regel gar nicht will – seiner Bank nahe sein, oder sich mit Bekannten dort zu treffen. Dieses Bild ist eine Illusion aus der Vergangenheit.
Vielmehr sind (und werden) Filialen eine vertrauensbildende Maßnahme und ein Marketinginstrument. Der Moment of Truth, wenn es um Abschlüsse und Cross-Selling geht, ist in Wirklichkeit ein Prozess. Einer der online beginnt. Etwa 90 % aller Bankabschlüsse ist eine Internetrecherche vorgelagert, die je nach Produkt einen bis eineinhalb Monate dauert und in deren Zuge ca. 20 Domains besucht werden.
Dieses Phänomen wird ROPO (Research Online, Purchase Offline) genannt und hat zur Folge, dass jene Kunden, die sich letztlich für das Angebot einer Bank entschieden haben und daher eine deren Filialen aufsuchen, top informiert sind und ihre Entscheidung eigentlich schon getroffen haben. Somit stellen sich auch andere Anforderungen an die Filialmitarbeiter. Es geht nicht mehr um Basisberatung, sondern um die Beantwortung komplexer Fragen und die Bestätigung der Entscheidung, die der Kunde schon im Vorfeld getroffen hat. Es geht darum, sprichwörtlich „den Sack zuzumachen“.
Dafür benötigt man keine Rate von 2.300 Bewohnern je Filiale und vor allem müssen die Niederlassungen andere Funktionen erfüllen, ihre Prozesse neu definieren und eine Qualität an Beratung bereitstellen, die deutlich höher ist, als man sie derzeit zumeist antrifft. Genau an dieser Stelle wird es eng, denn gutes Personal wird zukünftig zur immer rarer werdenden Ressource. Es sind also jene Häuser, die sich rasch entscheiden, ihre physische Präsenz neu auszurichten, deren Erfolgsaussichten am größten sind.
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