27.5.2020
Jede Krise ist zugleich eine Chance – sagt man. Ist das mehr Floskel als Tatsache, oder was bedeutet Corona für die Bankenbranche tatsächlich?
Die Ausgangslage im Vergleich zur letzten Krise – der Finanzkrise von 2008 – ist jedenfalls spiegelverkehrt. Während die Banken damals ein wesentlicher Teil des Problems waren, könnten sie in Corona-Zeiten und vor allem im Wiederaufbau danach zum Teil der Lösung werden.
Es geht um Zurückerlangung von verlorener Reputation und um praktischen Nutzen für die Kunden. Es wird mittelfristig großen Beratungsbedarf geben, weil viele Haushalte und Unternehmen ihre Finanzen neu ordnen müssen. Die Banken sollten diesen Bedarf nach individueller Betreuung ernst nehmen, die notwendigen Strukturen dafür bieten und Qualität in der Beratung garantieren. Es gibt beinahe kein besseres Kundenbindungsinstrument als wirksame Hilfe in einer Notlage.
Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass es – wie nach der letzten Krise – nicht zu einer Kreditklemme kommt bzw. der Eindruck entsteht, die Institute würden sehr selektiv bei der Vergabe sein. Natürlich sind Regularien einzuhalten, aber man sollte sich nicht auf diese ausreden, sondern sie entsprechend interpretieren und so weit als möglich unbürokratisch agieren.
Beschleunigte Digitalisierung
Die Geschwindigkeit der Digitalisierung wird durch die Krise sicherlich zunehmen. Die digitale Kompetenz der Kunden hat sich in den letzten Monaten erzwungenermaßen verbessert. Wie in vielen anderen Bereichen auch, hat sich die Verwendung digitaler Kanäle erhöht. D.h. in der physischen Präsenz der Banken wird der Fokus noch viel stärker auf qualitativ hochwertige Beratung gelegt werden müssen. Die Voraussetzung dafür sind bestens ausgebildete Teams.
In Krisen werden Veränderungsprozesse beschleunigt. Auch das können Banken für sich nutzen, wenn alles was nicht „high-end“ ist, nicht mehr physisch vorgehalten wird und Kundentermine ad-hoc auch mal via Microsoft Teams oder Skype möglich sind.
Natürlich werden sich auch Banken nach der Decke strecken müssen, wenn der Zufluss an Primärmittel durch Kunden ins Stocken gerät, Abschlussquoten sinken und die Hoffnung auf steigende Zinsen durch Corona auf lange Sicht dahin ist. Gleichzeitig werden einem höheren Finanzierungsbedarf sinkende Bonitäten und möglicherweise sinkende Preise für Immobilien, die zur Besicherung herangezogen werden, gegenüberstehen.
Aber diesen Herausforderungen stehen – wie gesagt – auch einige Chancen gegenüber, die die Krise zu bieten hat. Die Institute sind nun angehalten, diese zu erkennen, zu analysieren und zielgerichtet zu nutzen. Häuser, die noch keine „Corona-Strategie“ formuliert haben, sollten sich jetzt schleunigst um eine solche kümmern.
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