RIM Management KG

Gedanken zur agilen Organisation



18. März 2019

Managementmethoden und Organisationsformen, die abwechselnd wie die sprichwörtliche „Sau durch’s Dorf gejagt“ werden, stehe ich sehr skeptisch gegenüber.

Ebenso schwierig finde ich es, wenn Konzepte nicht schlüssig in wenigen Sätzen erklärt werden können. Das ist bei der agilen Unternehmensorganisation der Fall. Ich will diese Beschreibung hier versuchen, bevor ich meine eigenen Erfahrungen innerhalb agil verfasster Teams zusammenfasse.

Wie erklärte ich den Begriff der „agilen Organisation“ meiner Oma?

1) In einer agilen Organisation sind Teams für einzelne Bereiche eines Unternehmens (z.B. Produkte) selbst verantwortlich. Nicht der Chef erklärt, wie das Ding auszusehen hat, oder was es kostet, sondern die dafür nominierten Mitarbeiter in ihrer Gesamtheit.

2) Es gibt zwar einen Chef, eine Chefin oder eine Geschäftsführung, aber die führt nicht über Anweisung und Order, sondern stellt jene Rahmenbedingungen her, in der die Teams ideal arbeiten können („dienen statt führen“). Der Grad der Delegation geht so weit, dass selbst die Einteilung der Arbeit und das Setzen von Prioritäten in den Teams passiert.

3) Agilität bedeutet, dass man seine Arbeit am Kundenwillen und -nutzen ausrichtet und möglichst schnell kleinere Arbeitspakete abarbeitet, die aus der Sicht des Kunden zu einer schrittweisen Verbesserung des Produktes führen.

4) Agilität benötigt eine bestimmte Kultur, bestimmte Werte: Transparenz, Diskussionskultur, Kooperation, Selbstorganisation, Vertrauen, Veränderungsbereitschaft, wertschätzender Umgang auf Augenhöhe.

5) Agilität wird in einer zunehmend komplexer werdenden Welt als zentrales Element zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit gesehen, weil diese Organisationsform mit größtmöglicher Wendigkeit und Innovationskraft verbunden wird.

6) In der Arbeitsorganisation gibt es gewisse Regeln. So trifft man sich täglich zu einer Besprechung im Stehen, um Aktuelles auszutauschen und die Arbeit zu organisieren, oder man plant die Arbeit in kurzen Zyklen, die man Sprints nennt.

Was ich in meiner Praxis (subjektiv) erlebt habe:

1) Während der agilen Transformation verlassen viele Mitarbeiter und Angehörige des mittleren Managements das betroffene Unternehmen, weil sie den Change nicht mittragen bzw. nicht davon überzeugt sind. Die Umstellung bedeutet zumeist einen Verlust an wichtigen Humanressourcen, den man sich in Zeiten des „War for Talents“ eigentlich nicht leisten kann. Darunter leiden diese Unternehmen einige Jahre.

2) Der Vorstand oder die Geschäftsführung bleiben in der agilen Organisation häufig ein Fremdkörper, weil sie nicht bereit sind, das Heft des Handelns vollends aus der Hand zu geben. Sie wollen die Richtung vorgeben – nicht ganz zu Unrecht, wie ich meine, denn sie sind dem Eigentümer gegenüber rechenschaftspflichtig. So kommt es aber häufig zu Frustrationen, wenn Teams etwas erarbeiten, das später von der Geschäftsleitung abgewürgt wird.

3) Größere Wendigkeit und Innovationskraft habe ich nicht erlebt. Ein Mehr an Diskussion und Interaktion schon, aber nicht unbedingt zielgerichtet oder durch Seniors angeleitet. Für mich hat sich das manchmal angefühlt wie „Jugend forscht“, wo leitende Mitarbeiter mit ihrem Wissen nicht mehr direkt durchdringen und sich häufig zurückziehen. Komplexe Themen sind nicht für jedermann gleich schwierig. Während ein einzelner „Wissender“ rasch mit der Lösung zur Hand wäre, bringt das Arbeiten im Team nicht unbedingt schnellere oder bessere Entscheidungen. Das Niveau der Arbeit wird am gemeinsamen Nenner nivelliert.

In Summe konnte ich nicht feststellen, dass ein Unternehmen nach der agilen Transformation besser gearbeitet hätte als vorher. Ich tendiere daher dazu zu sagen, der Aufwand ist größer als der Nutzen. Auch in der klassischen Aufbauorganisation ist es möglich, mehr Verantwortung an einzelne Abteilungen zu delegieren, ohne damit das Leitungs- und Durchgriffsrecht der Seniors zu beschädigen. Genauso kann man in Projekten das Wasserfallprinzip durch agile Herangehensweisen ersetzen. Aber grundsätzlich wäre ich da eher pragmatisch, denn eine Veränderung der Unternehmenskultur – wie es die agile Organisation verlangt – ist eine sehr mühsame Angelegenheit mit unsicherem Ausgang. Fix sind nur die Kosten.

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