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Warum Österreich keine Satirezeitschrift braucht und was das mit der Eigenmittelquote für Wohnbaukredite zu tun hat



29.10.2022 – In Frankreich gibt es die Satirezeitschrift „Le Canard enchaîné“, in Deutschland gehört „Titanic“ zu den medialen Highlights. In Österreich brauchen wir dergleichen nicht – die Realität ist Satire genug. Das beweist die Lektüre der heutigen Ausgabe der Tageszeitung „Kurier“.

Bild: www.SeniorLiving.Org

Man setzt sich hin zum Frühstück, blättert beiläufig in der Zeitung, denkt an nichts Böses und stoßt auf das erste unfreiwillig komische Ausrufezeichen: Es kommt vom nach wie vor recht allmächtigen Ex-Präsidenten des Skiverbands ÖSV. Eine Person, deren Führungsstil nah am nordkoreanischen Modell liegt, wirft anderen Funktionären undemokratisches Verhalten und die Verletzung von Compliance Regeln vor. Der erste Lacher des Tages.

Der nächste folgt auf den Fuß: Da meint ein Vertreter des ÖVP-Bauernbunds, der politische Gegner würde die Erzeugung von Biogas nicht genug unterstützen. Warum? Weil es der anderen Seite nur um Klientelpolitik ginge. Wie der Schelm denkt, so ist er. Bauernbund – Landwirtschaft – Biogas; der perfekte Dreisprung des Klientelanspruchs.

Was spricht gegen 20 Prozent Eigenmittelquote?

Dann kommt der eigentliche Höhepunkt: Seit Wochen wird aus einer bestimmten Richtung auf die heimische Eigenmittelquote für Wohnbaukredite geschossen. Wer für diese Zwecke Geld aufnimmt, muss 20 Prozent der Kreditsumme an Eigenmittel aufbringen. So schreibt es die FMA neuerdings vor, und so wurde das seit jeher von verantwortlichen Banken ohnedies gehandhabt. Ein sinnvolles Instrument zum Schutz von Konsumenten und Wirtschaft.

Was die Sub-Prime Kredite aus den USA verschuldet haben, wissen wir ja noch zu gut: Bankenkrise, Wirtschaftskrise, Eurokrise, Rettung Griechenlands. Um so etwas in Zukunft zu vermeiden, gibt es eine entsprechende europäische Richtlinie.

Bitte nachrechnen…

Nun wird die Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm im Kurier zitiert: Diese 20 Prozent wären ganz arg. Junge Menschen, die sich eine Wohnung mit 70 Quadratmetern in Wien um 390.000 Euro kaufen möchten, müssten dann schon 78.000 Euro Eigenmittel vorweisen. Sie ist für eine 10 Prozent Quote wie in Irland.

Erstens: Hat man mal nachgerechnet? Ein Kredit über diese Kaufsumme abzüglich 10 Prozent Eigenmittel, 20 Jahre Laufzeit und einem Zinssatz von 3,25 Prozent resultiert in einer monatlichen Rückzahlungsbelastung von rund 1.940 Euro. Junge Menschen in Österreich verdienen im Schnitt ca. 1.900 Euro netto. Wenn bei einem Pärchen beide arbeiten, dann ist das etwas mehr als 50 Prozent des Haushaltseinkommens. Dabei ist die Wohnung noch nicht einmal eingerichtet.

Was ist, wenn ein Kind kommt? Was ist bei Arbeitslosigkeit? Und wenn die Zinsen noch steigen – was anzunehmen ist – würde die Belastung ganz schnell deutlich über 2.000 Euro je Monat liegen. Oder macht die Staatssekretärin auch Klientelpolitik und denkt an Menschen, die markant überdurchschnittlich verdienen?

…und die ganze Wahrheit sagen

Zweitens: Wenn sie schon sagt, sie hätte gern die irische Regelung mit 10 Prozent Eigenmitteln, dann wäre doch bitte die ganze Wahrheit interessant: Der irische Regulator kennt dieses „Loan-to-Value limit“ für „First-time-buyers“ aber gleichzeitig auch ein „Loan-to-Income limit“. Für Menschen, die erstmals eine Immobilie erwerben, entspricht es dem Vierfachen des jährlichen Bruttoeinkommens.

Dieses liegt in Österreich im Schnitt bei etwa 37.000 Euro. Mal zwei (weil ein Pärchen) und mal vier macht das 296.000 Euro. Damit wäre die irische Regel strenger als die heimische, wo man – um beim 70-Quadratmeter-Beispiel von oben zu bleiben – einen Kredit über 312.000 Euro bekommen würde.

Tja, wo die Satire beginnt, hört sich der Spaß auf. Und im Übrigen hätte die Redaktion des Kurier dieses Faktum auch ganz einfach selbst recherchieren können.

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